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Forum - Kurze Geschichten
Ohne dass ich es wusste

temeres
Künstler



Mutter starb, ohne dass ich es wusste, als ich in einer privaten Klinik lag. Ich war fünfzehn. Fünf Tage musste ich bleiben. Ich wurde ausgeschabt. Es ist lange her.

Das Zimmer, in dem ich lag, war relativ klein. Es gab zwei Betten, rechts und links an der Wand. Zwischen den Betten ein Fenster ohne Aussicht. Erinnern kann ich keine. Neben der Tür stand ein geöffneter Schrank.

Im Zimmer war alles weiß: die bilderlosen Wände, der Nachtkasten, die Bettwäsche, der Schrank, der Tisch und die Teller auf dem Tablett. Auch die Schwestern, aber erinnern kann ich keine. Man sprach nicht mit mir, nur das Nötigste. Es muss auch Ärzte gegeben haben in weißen Baumwollkitteln.

Nun, wo entschieden war, dass ich abtreibe, war alle Überredungskunst vollendet. Die Tage waren weiß und stumm, weiß wie ich im weißen Nachthemd in meiner weißen Abschirmung.

Ich hatte keinen Besuch. Als ich die Klinik verließ, sah ich die Straße hoch und runter. Hoch und runter. Ich überlegte, wo ich wohne. Dann, wie ich nach Hause komme. Zuhause war niemand.

In meinem Zimmer legte ich mich aufs Bett. Ich hatte ein froschgrünes Jugendzimmer, das meine Mutter gekauft hatte, zu den orange angestrichenen Wänden. An der Wand hing meine Collage. Wild ausgeschnittene Frauengesichter aus Frauenzeitschriften, einfach angeklebt.

Als Mutter am Abend nach Hause kam, spürte ich erleichtert, dass ich sie nicht mehr brauche.
Beitrag 31.07.2011, 07:20